Umgang mit anhaltendem Schwindel und Sehstörungen nach Akustikusneurinom-OP: Ein Überblick
Dieser Artikel fasst die wesentlichen Inhalte aus Konsultationen bei Prof. Tatagiba und Prof. Fetter zusammen und beleuchtet die konträren Auffassungen der Experten über das weitere Vorgehen bei der Behandlung von Schwindel und Sehstörungen nach einer Operation eines Akustikusneurinoms.
MRT-Scan eines Akustikusneurinoms
Die Ausgangssituation
- Kernspin 11/2010: Nur geringe postoperative-narbige Restveränderungen ohne Anhalt für neuerliches Tumorwachstum bzw. Lokalrezidiv.
- OP-Bericht: N. Vestibularis superior erhalten, allerdings Komplettausfall der Funktion des von ihm versorgten horizontalen Bogengangs laut kalorischer Untersuchung. Der inferiore Ast (der durchtrennt sein sollte) ist laut clickevozierter Potentiale funktionsfähig.
Unterschiedliche Expertenmeinungen
Prof. Tatagiba
Prof. Tatagiba empfahl im November 2010 das operative Durchtrennen des verbliebenen Nervenastes (Vestibularisneurektomie). Alternativ käme eine chemische Läsion (Schädigung) des Gleichgewichtsnerven durch Gentamicin-Gabe (durch Kollegen der HNO) in Frage.
Er äußerte, dass der verbliebene Nervenast wohl geschädigt sei und deswegen eventuell „fehlerhaft funkt“. Es bleibt aber die Frage, ob nicht alleine die Tatsache, dass ein Teil des Nervs nicht durchtrennt wurde, reicht, um vermehrte Probleme beim Schwindel zu haben.
Zudem erwähnte er eine kleine Kontrastmittelanreicherung, die ein Blutgefäß, Narbengewebe, aber auch ein neuer Tumor oder Tumorrest sein könnte. Deswegen alleine würde man aber nicht operieren, sondern ggf. bestrahlen. Eine OP wegen Schwindel hätte den Vorteil, dass man da nochmal draufschauen könne.
Sein schriftlicher Befund wies jedoch aus: ... linksseitig keine Hinweise für ein Lokalrezidiv, lediglich ist aktuell Narbengewebe ersichtlich.
Es wurde betont, dass Prof. Tatagiba sehr menschlich war, die Patientin ernst genommen hat und sich viel Zeit genommen hat.
Prof. Fetter
Prof. Fetter's Kompetenz, Zugewandtheit und Engagement wurden hervorgehoben. Er nahm sich Zeit für ausführliche Diagnostik (diverse Schwindeltests) und einen ausführlichen schriftlichen Befund.
Er hält daran fest, dass eine weitere Deafferentierung (Ausschalten) die Symptomatik nicht verbessern wird. Den gestörten vestibulookulären Reflex werde die Patientin wohl auch behalten, kann aber weiter versuchen, mit Übungen etwas zu verbessern.
Aus dem letzten Befund wird zitiert: „Ihre Problematik kann durch intensives Training durch Fixation eines stabilen Blickzieles und gleichzeitiger rascher Kopfbewegungen in alle Richtungen trainiert werden. Etwa 1/3 der Patienten lernen es, unter diesen Bedingungen selbstgetriggerte rasche Augenbewegungen (Sakkaden) zu machen und damit den ausgefallenen vestibulookulären Reflex zu ersetzen.“
Prof. Fetter sieht Zusammenhänge zwischen der erhöhten Empfindlichkeit in diversen Bereichen von Migränepatienten mit der erschwerten Schwindelproblematik. Es wurde die Frage einer sinnvollen Migräneprophylaxe aufgeworfen, die das Schwindelproblem nicht verschärft. Als Optionen wurden Topomax, Flunarizin oder Amitriptylin genannt.
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Gleichgewichtsstörung vs. Schwindel
Es wird betont, dass Gleichgewichtsstörung nicht gleich Schwindel ist. Ein Test, bei dem die Patientin auf einer Platte steht und sich nach vorne, hinten, rechts, links lehnt, zeigte nahezu normale Ergebnisse. Dies deutet darauf hin, dass das Gleichgewicht sehr gut wiedererlangt wurde, aber der Schwindel mit einhergehenden Sehstörungen und vegetativen Begleiterscheinungen wie (Reise-)Übelkeit bestehen bleibt.
Die Patientin beschreibt es als „ich kann fast alles machen, habe keine Angst umzufallen, aber in meinem Kopf und Körper ist trotzdem Schwindel“.
Der besagte Test wird allerdings als etwas irreführend empfunden, da dabei der Kopf die ganze Zeit ruhig gehalten werden konnte. Sobald der Kopf bewegt wird, ist die Patientin ziemlich sicher weit weg von „normal“.
Weitere Überlegungen
- Selbst ein erfahrener Schwindelspezialist wie Prof. Fetter war geneigt, das Auftreten des Schwindels an rasche Bewegungen zu knüpfen. Die Patientin hat den Schwindel aber auch bei vergleichsweise langsamen Bewegungen, z.B. beim Neigen des Kopfes.
- Die Frage, ob der Nerv komplett durchtrennt ist, wird aufgeworfen.
Zusammenfassung der Patientendaten
Die Patientin ist weiblich, Jahrgang 1965. Das Akustikusneurinom hatte eine Größe von ca. 1x1x1cm. Die OP erfolgte 01/2009 in Tübingen durch Prof. Tatagiba. Ein Vestibularisast wurde erhalten. Es besteht starke Hörminderung links, Tinnitus, Hyperakusis und nur noch leichte Facialisparese. Anhaltender Schwindel und Sehstörungen sind vorhanden.
Tabelle: Zusammenfassung der Befunde und Empfehlungen
| Aspekt | Details |
|---|---|
| Kernspin 11/2010 | Geringe postoperative-narbige Restveränderungen, kein Tumorwachstum |
| OP-Bericht | N. Vestibularis superior erhalten, inferiorer Ast funktionsfähig |
| Prof. Tatagiba | Vestibularisneurektomie oder Gentamicin-Gabe |
| Prof. Fetter | Keine weitere Deafferentierung, Übungen zur Verbesserung des vestibulookulären Reflexes, Migräneprophylaxe |
| Symptome | Anhaltender Schwindel, Sehstörungen, Übelkeit |
Abschließend wird festgehalten, dass vorerst keine weitere Operation in Betracht gezogen wird und die Patientin eventuell Medikamente ausprobieren wird, um die Symptome zu lindern.
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