Die Thermen von Karthago: Ein Spiegelbild der Geschichte Nordafrikas
Der Golf von Karthago hat seit jeher die Menschen aus dem Norden in seinen Bann gezogen. Auch Klee, Macke und Moilliet zog es am Vorabend des Ersten Weltkrieges auf der Suche nach Licht und Farben an diese Küste. Sie fanden dort eine orientalische Welt vor, die kaum noch an die leidenschaftlichen Gefühle von Purcells «Dido und Aeneas» oder an die glühenden Visionen von Flauberts «Salammbô» erinnerte.
Unweit der lärmig-bunten Souks und der geheimnisvollen Schatten des punischen Karthago lebt in säulengeschmückten Ruinenstädten wie Mactaris, Sufetula, Thougga oder Thuburbo Majus auch die römische Antike weiter. Denn in diesem reichen Land vermochte sich die lateinische Stadtkultur noch zu behaupten, als Westeuropa längst in den Wirren der Völkerwanderungszeit in eine kulturelle und wirtschaftliche Nacht versunken war.
Thermen von Antoninus in Karthago. Bildquelle: Wikimedia Commons
Karthago: Von der punischen Metropole zur römischen Provinz
Karthago, von Phöniziern gegründet, von den Römern zerstört, wiederaufgebaut und in ihrer Epik besungen, ist nur ein Beispiel für die weltgeschichtliche Bedeutung dieses Gebiets. Tunesien war als Africa Proconsularis der Kern des antiken Africa, eine regelrechte antike Städtelandschaft. Wir begeben uns auf die Spuren von Numidern, Puniern und Römern und lassen uns wie in einer Zeitreise ins Zentrum römischer Städte versetzen. Und immer wieder geniessen wir malerische Altstädte mit ikonischen Bauten aus islamischer Zeit.
Allerdings sahen die Römer den Einfluss der Stadt auf dem damals schon hart umkämpften Markt als zu gefährlich an. Welcher Geschichtsinteressierte und Lateiner kennt nicht den Spruch Catos des Älteren, der jede seiner Reden angeblich mit dem Satz „Ceterum censeo Carthaginem esse delendam“ beendete. Ins Deutsche übersetzt bedeutet das: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss!“ Damit ging er den Römern auf die Dauer so auf die Nerven, dass sie seine Worte am Ende des Dritten Punischen Krieges in die Tat umsetzten. Und dabei nahmen sie diese Aussage mehr als wörtlich.
Nur sehr wenig blieb nach dem Gemetzel und der systematischen Niederbrennung der einst blühenden Mittelmeermetropole übrig. Leider hatten sie dabei nicht an die kulturinteressierten Reisenden der späteren Jahrhunderte gedacht, die sich gern mehr von der Pracht vergangener Zeiten angesehen hätten. Zwar hat auch die heutige Millionenmetropole Tunis einiges an Attraktionen zu bieten, doch Karthago ist untrennbar mit Geschichte und Kultstatus verbunden. Bei einem Besuch in Tunis können Sie aber doch noch einige Überbleibsel Karthagos sehen.
Bevor sich der römische Feldherr Scipio der Aufgabe widmete, Karthago zu schleifen (das bedeutet Einebnen, Sprengen oder Niederreissen von Städten), musste er die Stadt drei Jahre lang belagern. Vor dem Gemetzel lebten und handelten mehr als eine halbe Million Einwohner in der Stadt. Am Ende war es lediglich ein Zehntel davon. Keinem wurde Gnade gewährt, sie wurden versklavt.
Zum Glück waren die Römer nach dem Schleifen nicht ganz so gründlich, denn es sind doch noch ein paar Überreste des alten Karthagos erhalten geblieben. Es stehen zwar von den einstigen Gebäuden nur noch wenige Teile oder Grundrisse, doch der Mythos des legendären Karthagos ist nach wie vor lebendig. Nicht zuletzt deshalb wurden die wenigen Überreste auch in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
Von den Resten auf einer Halbinsel, nur wenige Kilometer ausserhalb von Tunis, geniessen Sie einen weiten Blick über das Mittelmeer und das gebirgige Hinterland. Am besten begeben Sie sich hierfür auf den Byrsa-Hügel, der sich hoch über der Stadt erhebt. Erleben Sie Le Tophet, eine der ältesten punischen Kultstätten, und stehen Sie dort, wo einst die phönizische Prinzessin Elissa ihren Fuss an Land setzte. An diesem Ort beteten die Gläubigen zum bedeutenden Sonnengott Baal-Ammon. Dieser wurde aber leider nicht nur durch Gebete milde gestimmt. So war es Brauch, ihm erstgeborene Kinder zu opfern.
Nur wenig ist von den beiden damals bedeutenden Hafenanlagen Karthagos zu sehen. Bei genauen Hinsehen erkennen Sie allerdings die Formen des runden Kriegshafens mit dem Namen Kothon und des eckigen Handelshafens mit dem Namen Limen.
Die römischen Thermen von Karthago
Badehauskultur in Karthago: Zwar wurde Karthago nach der Niederlage dem Erdboden gleichgemacht, das hinderte die Römer aber nicht daran, den strategisch günstig gelegenen Ort für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Auch zu Römerzeiten hatte Karthago grosse wirtschaftliche Bedeutung. Mächtige Patrizier aus Rom liessen sich nieder und sorgten für einen zweiten Aufschwung.
Zeugnis dafür sind die römischen Thermen, die Kaiser Antoninus errichten liess. Man sagt, dass es nur in Rom selbst Thermen gegeben habe, die mit ähnlichen Dimensionen aufwarten konnten. Die Thermen wurden zwischen 146 und 162 n. nach dem Vorbild der Trajansthermen von Rom, symmetrisch um einen 20m × 50m großen Zentralraum errichtet. Hadrian, der den Bau zumindest mitfinanzierte. Es sind die ersten öffentlichen Thermen die in der Stadt Karthago gebaut wurden.
Mit einer Ausdehnung von 200m Länge waren sie die grösste Thermenanlagen innerhalb der afrikanischen Provinzen Roms. Dadurch war es möglich, wie sonst bei vergleichbaren Bauwerken üblich, Betriebs- und Personalräume in einem Untergeschoss anzulegen. Diese waren in zwei symmetrische Abteilungen in Caldaria, Tepidaria und Schwimmbecken aufgeteilt, vermutlich für Männer und Frauen separat.
Frigidarium, dessen Kuppel von acht grauen Granitsäulen mit Marmorkapitellen gestützt wurde, und ein grosses Kaltwasser-Schwimmbecken (natatio) in den Dimensionen 49m × 6m. in Nordafrika vom 5. Jahrhundert in Betrieb.
Überreste der Thermen von Antoninus. Bildquelle: Wikimedia Commons
Die Vandalen in Karthago: Eine Neubewertung
Mit germanischen Horden bekam es aber auch die seit der Zerstörung des punischen Karthago römisch gewordene Provinz Africa Proconsularis zu tun. Genauer mit den Vandalen, die aber, anders als ihr schlechter Ruf vermuten lassen könnte, diese dichtbesiedelte Welt nicht dem Erdboden gleichmachten. Das war auch gar nicht im Sinn des eine neue Heimat suchenden Stammesverbands, der im Jahre 429 mit Kriegern, Frauen und Kindern auf gekaperten Schiffen die Meerenge von Gibraltar überquert hatte und dann - vom römischen Heer kaum gebremst - der Küste entlang nach Osten gezogen war.
Nach vierzehnmonatiger Belagerung nahm der Vandalenkönig Geiserich im Jahre 431 Hippo Regius, die Bischofsstadt des Kirchenvaters Augustinus, ein und machte sie zur ersten Hauptstadt seines im Entstehen begriffenen Reiches, bevor er am 19. Oktober 439 den Quellen nach dank einer List im unzerstörten Karthago seinen triumphalen Einzug hielt.
Die Eindringlinge genossen nicht nur den von der Metropole der damals rund fünf Millionen Einwohner zählenden Africa Proconsularis gebotenen Luxus und das süsse Leben. Sie machten sich auch die Beamten dienstbar, nutzten den Verwaltungsapparat und brachten so das Staatswesen schnell wieder in Schwung. Auf dem Land allerdings wurde die alte Elite aus ihren Villen vertrieben, in denen sich nun die vandalische Nobilität einrichtete.
Geiserich, der um 389 noch in der alten Heimat am Fuss der Karpaten geboren worden war und 477 betagt in Karthago starb, förderte die Industrie, den auf Weizen, Öl und Terra-sigillata-Keramik basierenden Handel und die Schifffahrt. Mit seiner Flotte unterwarf er die zentralen Mittelmeerinseln und wagte es - im Rahmen seiner unerfüllten Heiratspolitik - im Jahre 455 Rom zu plündern.
Seine Söhne, Enkel und Urenkel Hunerich, Gunthamund, Thrasamund, Hilderich und Gelimer führten seine Politik mit wechselndem Erfolg weiter. Bis der oströmische Kaiser Justinian I., von Gelimer provoziert, eine Strafexpedition unter dem legendären Belisar entsandte, die 534 zum schnellen Untergang des völlig unvorbereiteten, durch dynastische Streitereien und Berberangriffe geschwächten Vandalenreichs führte.
Während sogar vom punischen, durch die Römer ausradierten Karthago neben Kunstwerken weitläufige Hafenanlagen und Fundamente stolzer Häuser überdauerten, sind die Vandalen «archäologisch fast unsichtbar» geblieben. Wären da nicht die schriftlichen Quellen - etwa Victor von Vitas Klagen, Prokops Kriegsberichte oder die lateinischen Gedichte von Luxurius und Florentinus («Karthago ist lieblich und süss . . .») -, könnte man die Vandalen beinahe für eine Erfindung halten.
Glücklicherweise existieren darüber hinaus einige seit der Herrschaft König Gunthamunds (484-496) geprägte Münzen, einige Grabbeigaben, in Stein gemeisselte Epitaphe und Mosaiken, die auf die vandalische Herrschaft verweisen. Etwa eine den Namen Thrasamund nennende Inschrift aus der Kirche von Henchir el-Gousset, deren eindrückliche Bogenrippen sich noch heute über einem schwer zugänglichen Ruinenfeld an der algerischen Grenze erheben.
Trotz dieser Ausgangslage ist es der jüngsten, vor allem von Tunesiern erbrachten Forschung gelungen, das Bild der seit den Streifzügen durch Gallien mit Schrecken und Verwüstung in Verbindung gebrachten Vandalen neu zu fokussieren. Anhand von rund 350 oft mehrteiligen Exponaten beleuchtet es den Aufstieg der Vandalen vor dem Horizont des auseinanderbrechenden spätrömischen Reichs und der Völkerwanderung.
Um die vereinfacht rekonstruierten Thermen der Villa von Sidi Ghrib sind Objekte angeordnet, die das Leben der Vandalen auf den konfiszierten Herrensitzen vergegenwärtigen - etwa silbernes Prunkgeschirr, das Mosaik des «Vandalischen Reiters» oder eine für das 5. Jahrhundert erstaunlich fein gearbeitete Ganymed-Skulptur. Das hier aufscheinende klassische Kulturverständnis der schnell romanisierten Vandalen scheint sich vertragen zu haben mit ihrem arianischen Bekenntnis, das von den Katholiken als ketzerisch abgelehnt wurde, weil es Jesus nicht als wesensgleich mit Gott sah.
Obwohl die Arianer die katholischen Afrikaner zeitweise mit religiösem Eifer verfolgten, zögerten sie nicht, deren Sakralbauten, von denen in Karlsruhe Modelle, Mosaiken und Taufbecken zeugen, samt der kultischen Ausstattung zu übernehmen. Dies erklärt das weitgehende Fehlen christlicher Objekte, die eindeutig als vandalisch angesprochen werden können.
Zwar berichten die in den Vitrinen rund um das rekonstruierte Baptisterium von Demna ausgebreiteten Grabbeigaben ganz eindeutig von der Freude der Vandalen am Schönen, doch beim einzigartigen Jagd-Sarkophag aus Leptis Minor lässt sich trotz christlicher Ikonographie nicht sagen, ob er für einen akkulturierten Arianer oder einen Katholiken gefertigt wurde.
Ein Mosaik der Kulturen
Mit einem Blick auf die Entwicklungen in der Proconsularis nach dem Ende des Vandalenreichs klingt die Ausstellung aus. Bergstädte wie Ammaedara, in der laut einer Inschrift einst auch Vandalen lebten, wurden von den Byzantinern mit monumentalen Festungen und Burgkirchen gesichert, um den Angriffen der Berber zu widerstehen.
Der Ausstellungsrundgang endet vor dem stilisierten Ribat-Tor von Sousse mit Objekten aus der Zeit der arabischen Invasion um 670, die für die nunmehr Ifriqiya genannte Provinz eine Art neue Völkerwanderung bedeutete. Wie einst die Vandalen inspirierten sich auch die neuen Herrscher an der lokalen Kultur. So leben die vielschiffigen Kirchen - etwa die von den Vandalen umgenutzte Damous-el-Karita-Basilika - im Säulenwald der Grossen Moschee von Kairouan weiter, dessen Schäfte und Kapitelle aus Kirchen, römischen Tempeln und punischen Foren zusammengetragen wurden.
Ancient Baths of Antonius . Carthage
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