Eilean Shona: Ein Abenteuerleben auf der schottischen Insel

Eine Woche ohne Netz, Strom und Einkaufsmöglichkeiten, dafür mit Märchenatmosphäre und viel Natur: Auf der schottischen Insel Eilean Shona erlebt man Entschleunigung fernab der Zivilisation - und hat endlich wieder Zeit zum ausgiebigen Kochen, Spielen und Lesen.

Es gibt zwei Wege, um auf die schottische Privatinsel Eilean Shona zu gelangen: zum einen mit dem Helikopter, so wie Richard Branson es macht, wenn er die Insel besucht, die seiner Schwester, der Unternehmerin und Kunstmäzenin Vanessa Branson, gehört. Der zweite Weg führt mit dem Auto drei Stunden nordwestlich von Glasgow durch Glencoe und die wildromantischen Landschaften von Ardnamurchan. Für uns tut es die Autofahrt.

Eine Woche ohne Netzabdeckung und WLAN, Strom und Einkaufsmöglichkeiten liegt vor uns und damit ein echtes Abenteuer in der heutigen Zeit, wie man leicht zynisch bemerken muss. Nun: Gut vorbereitet sind wir allemal.

Zwei schwere Einkaufstaschen von Marks & Spencer in Fort William mit Zutaten für alle Lieblingsgerichte sind gerichtet; die Frage «Haben wir auch wirklich genug Essen für eine Woche eingekauft?» ist zigfach gestellt, Bücher, Brett- und Kartenspiele sowie Malutensilien sind vorbereitet, die Powerbank ist geladen und, für den Fall, dass die Einkäufe dann doch nicht reichen sollten, die Fischerrute ist auch schon bereitgestellt am Dorlin Jetty, dem Anlegesteg bei Loch Moidart, von dem wir gleich abgeholt werden.

Nur per Boot erreichbar - die Überfahrt nach Eilean Shona dauert 15 Minuten. Alistair Gardiner und Jack Cakebread, zwei Mitglieder des jungen Eilean-Shona-Teams, das ganzjährig auf der Insel lebt und sich um alles kümmert, holen uns und unser Gepäck mit dem Boot ab. Die Arme mit Farnen und Insekten volltätowiert, die Haare lang, sonnengebleicht und im Fahrtwind wehend - so stellt man sich den Hipster-Fischer vor.

Die 15-minütige Überfahrt über den glatten Loch Moidart meistern beide routiniert, während sie uns in die Umgebung einführen. Wir passieren die Ruine von Castle Tioram, die sich auf einer kleinen, von Ebbe und Flut beeinflussten Insel auf Loch Moidart befindet. Die Burg, die im 13. Jahrhundert erbaut wurde, war einst Sitz des Clanranald-Zweigs des mächtigen Clans MacDonald. Heute thront die Ruine als stille Zeitzeugin malerisch über dem Wasser als Gegenüber von Eilean Shona. Schottland in der Bilderbuchvariante.

Der Bootssteg rückt näher, wir sehen eine Handvoll Erwachsene und Kinder, die juchzend Köpfler ins kalte Wasser von Loch Moidart machen. «Die Menschen, die nach Eilean Shona kommen, verbindet alle eines - eine grosse Liebe zur Natur. Aber es gibt schon auch Besucher, die sich beim Betreten der Insel fragen, worauf sie sich hier eingelassen haben», kichert Alistair Gardiner, während er unser Gepäck vom Boot auf einen Quad verfrachtet, um es zu unserer Unterkunft zu fahren. Selber müssen und dürfen wir den rund vierzigminütigen Weg zu unserem Ferienhaus zu Fuss gehen.

Dieser Spaziergang: ein erstes Ritual von vielen, die man auf dieser Insel entwickelt. Wir werden ihn oft gehen. Das «Old School House» bietet alles. Nur kein Internet und weder Strom noch Telefonempfang. Der Name Eilean Shona leitet sich vom gälischen «Eilean Seonaidh» ab, was «Insel des Seonaidh» bedeutet.

Diese Insel hat über die Jahrhunderte hinweg viele Menschen inspiriert. Im 19. Jahrhundert war sie im Besitz der Familie von William E. Gladstone, einem der bedeutendsten Premierminister Grossbritanniens. Besonders bekannt wurde Eilean Shona in den 1920er Jahren, als der schottische Autor J. M. Barrie die Insel pachtete. Barrie schrieb hier «Peter Pan», man sagt, er habe sich von der märchenhaften Atmosphäre der Insel zu «Neverland» inspirieren lassen - man glaubt es gerne.

Vom Steg von Eilean Shona aus sieht man bereits die ersten Häuser, die wochenweise gemietet werden können: zum Beispiel die frisch renovierte «Sail Loft». Näher ans Wasser bauen scheint unmöglich, das scheunenähnliche Holzhaus schwebt fast auf dem Loch, der wie ein Spiegel daliegt. Die «Sail Loft» bietet Platz für vier Personen.

Das Innere ist freundlich und hell gestaltet: An einem Ende des offenen Raumes befindet sich ein gemütliches Zweibettzimmer, ideal für Kinder. Am anderen Ende, mit Blick auf den Meeresarm, liegt eine luxuriöse Master-Suite mit einem riesigen Hästens-Bett, einer handgeschlagenen Kupferbadewanne und einem Balkon mit atemberaubendem Blick über Loch Moidart bis zu Castle Tioram. Das Bett habe 75 000 Pfund gekostet, sagt man uns. Wie gut man darin wohl schlafen mag, nachdem man die private Sauna benutzt und sich einen Whiskey auf dem Balkon gegönnt hat?

Unsere Wanderung führt weiter, den Hügel hinauf, zur Rechten erscheint das Haupthaus von Eilean Shona. Ursprünglich gehörte es einem Seefahrer namens Captain Swinburne, der es im 19. Jahrhundert als Jagdhaus nutzte. Besessen von den vielen verschiedenen Kiefernarten, die er auf seinen Reisen sah, pflanzte er hier auf der Insel die vielfältigste Kiefernplantage Europas. Im Laufe der Jahre erweitert, verfügt das Haupthaus heute über neun Schlafzimmer mit Himmelbetten und freistehenden Badewannen, eine Küche mit zwei Vorratskammern und ein Billardzimmer.

Das Haus ist nicht einfach chic, sondern «shabby chic», eklektisch, eine Mischung aus Alt und Neu, mit leuchtend bunten Wänden und Wandmalereien, antiken Teppichen, Konzeptkunst und Kuriositäten, wohin man auch schaut. Man spürt den Stil, aber auch den Humor der Besitzerin. Hier im Haupthaus weile der Branson-Clan, wenn er auf der Insel sei (was anscheinend sehr regelmässig der Fall sei).

Die einzige «Strasse» der Insel - eher ein steiniger Weg, denn Eilean Shona ist komplett autofrei - führt uns weiter, vorbei am kleinen Insel-Shop, der zweimal pro Woche für eine halbe Stunde geöffnet ist und dann zum «Place to be» für alle Inselbewohner wird. Vorbei an der Village Hall, die sich jeden Dienstagabend zum Insel-Pub «The Stag & Otter» und damit zum Treffpunkt aller Gäste wandelt. Vorbei am «Tioram Cottage», in dem bereits Kate Winslet, die mit dem Neffen von Vanessa Branson verheiratet ist, nächtigte.

Die Häuser, die wir hier, im vorderen Teil der Insel, sehen, sind alle charmant und passen perfekt in die Landschaft - eine alte Mühle, eine Bothy (eine Art schottische Schutzhütte), eine Hirtenhütte - aber der eigentliche Star auf Eilean Shona ist eindeutig die Natur. Je weiter man dem Inselrundweg folgt, desto tiefer taucht man in die Umgebung ein. Überall gibt es etwas zu entdecken, von den bewachsenen Felsen bis zu den mit Eierschwämmchen gesprenkelten Waldböden, vom Seerosenteich bis hin zu den spielenden Eichhörnchen. Eine angenehme Ruhe stellt sich ein, und die Natur übernimmt die Unterhaltung.

Man taucht ein in «Fifty Shades of Green»: Birken, Eichen, Moos, überall Moos, allerlei Farne, Flechten und natürlich überall das für Schottland typische Heidekraut und Ginster. Rechts des Weges ist der Blick frei auf Loch Moidart, in dem sich das Grün der Umgebung und das Blau des Himmels spiegelt. Teil des Ancient Caledonian Forest - wild, grün, voller Leben.

Die Insel gehört zum «Ancient Caledonian Forest», ein früher riesiges, heute leider immer kleiner werdendes schottisches Waldgebiet, das am Ende der letzten Eiszeit entstand. Diese Wälder sind ein einzigartiges Ökosystem und beherbergen eine Vielzahl seltener Pflanzen und Tiere, von denen einige nirgendwo sonst auf den Britischen Inseln zu finden sind. «A wild, rocky, romantic island it is too», schrieb J. M. Barrie 1920 an einen Freund: «It almost taketh the breath away».

Nach etwas mehr als einer halben Stunde, während deren uns keine Menschenseele begegnet, krümmt sich der Uferweg weg von der Bucht und führt hangaufwärts zu unserem Haus: das «Old School House». Von aussen grau und trutzig, strahlt das 1878 erbaute, ehemalige Schulhaus innen eine schlichte Eleganz und gemütliche Atmosphäre aus. Helle und neutrale Farben, minimalistische Möbel und natürliche Materialien dominieren.

Im Ofen knistert ein gemütliches Feuer, und unsere Lebensmittel sind wie von Zauberhand bereits eingeräumt. Das ganze Haus ist im marokkanischen Stil eingerichtet. Das «Old School House» ist liebevoll eingerichtet, mit marokkanischen Teppichen, farbiger Keramik und diversen Skulpturen. Ein geflochtener Teppichklopfer ist als Kunstobjekt inszeniert, geschnitzte Äste dienen als Schmuck in einer Vase.

Eine Auswahl von Krimis und Kunstbüchern lockt ebenso wie eine Staffelei, ein Schach sowie diverse Gesellschaftsspiele wie Monopoly oder Cluedo. Man muss sich schliesslich irgendwie unterhalten, wenn Netflix und News fehlen. Und auf dem Fenstersims: eine gut bestückte Hausbar. Verdursten, so stellt man erleichtert fest, wird hier niemand.

Ankommen

Anreise: Mit dem Flugzeug nach Edinburgh, Glasgow oder Inverness. Von dort mit dem Mietauto bis zum Eilean Shona Bootssteg fahren (ab Edinburgh 4,5, ab Glasgow 3,5, ab Inverness 3 Stunden). Alternativ ab Glasgow mit dem Zug nach Fort William (3 Stunden) und von dort mit dem Taxi zum Bootssteg reisen (45 Minuten). Alle Anfahrtswege bieten wunderschöne Einblicke in die schottischen Highlands.

Einkaufen: Legen Sie in Fort William einen Stopp ein und kaufen Sie in einem der grossen Supermärkte (Morrison oder Marks & Spencer) ausreichend Proviant ein. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, gewisse Lebensmittel (Bier, Milch, Toast, aber auch diverse «Fertiggerichte» wie eine hervorragende selbstgemachte Lamm-Tajine und einen köstlichen Apple Crumble) über die Betreiber von Eilean Shona vorzubestellen. Diese werden vor der Anreise in die Unterkunft geliefert.

Übernachten: Auf der Insel Eilean Shona gibt es ein Haupthaus und acht Cottages. Die Cottages sind Selbstversorgerunterkünfte, die unterschiedlich gross sind und Platz für Einzelreisende, Paare, Familien oder grössere Gruppen bieten. Die Cottages sind stilvoll und individuell eingerichtet. Die Preise variieren je nach Unterkunft und Reisezeit und reichen von 1100 Pfund für die kleineren Cottages bis zu 3000 Pfund für die grösseren Häuser (Tioram Cottage) pro Woche. Exklusivmiete des Haupthauses auf Anfrage.

Eilean Shona.

Die Tage auf der Insel

Die nächsten Tage sind gemütlich und gemächlich, man schaut aufs Meer hinaus, kocht Tee, spielt Cluedo («War es wohl Colonel Mustard oder Reverend Green?»), heizt den Ofen an und schaut dann wieder aufs Meer. Keine Menschenseele weit und breit. Einmal entdecken wir einen Seehund dabei, wie er sich im Meeresarm unterhalb des Old School House treiben lässt. Scheinbar ewig schwimmt, fischt oder spielt er für sich allein, kommt neugierig näher zum Strand, beäugt uns vorsichtig und taucht dann schnell wieder ab.

Das schottische Wetter macht seinem Ruf keine Ehre. Es ist sonnig und hell, was die Landschaft und ihre Farben zum Leuchten bringt. Die Nächte sind kurz, die Sonne geht abends gegen 23 Uhr unter und kriecht gegen 5 Uhr wieder hinter dem Hügelkamm auf der anderen Seite der Bucht hervor. Es gibt wenig zu tun, aber viel zu entdecken auf der Insel.

Wir fischen und suchen Muscheln in der Bucht vor dem Haus. Wir leihen uns Kajaks aus dem Bootshaus der Insel und paddeln auf Loch Moidart in Richtung Shoe Bay, zum karibikähnlichen Sandstrand, der zu Eilean Shona gehört. Wir wandern auf dem Inselrundweg, der hinter dem «Old School House» bis zu einer stillen Bucht, der Baramore Bay, weiterführt und von dort zu einer Bergwanderung wird, die spektakulärer nicht sein könnte.

Nach einer schweisstreibenden Dreiviertelstunde Trampelpfad befindet man sich auf einem Plateau, von dem aus man hinunter an die andere Küste von Eilean Shona, das Meer und die umliegenden Ufer und Inseln sieht. Ein Hirsch röhrt. Was für eine gewaltige Kulisse.

Abends kochen wir ausgiebig, spielen Spiele, lesen und entzünden ein gemütlich knisterndes Feuer im Kamin, das nicht nur für eine warme Atmosphäre, sondern später auch für ein heisses Vollbad, das direkt vom Kaminfeuer geheizt wird, sorgt. Die Befreiung von Mobiltelefon und Tablet hat einen wunderbaren Nebeneffekt: Man hat plötzlich viel mehr Zeit. (Es sei hier angemerkt: Nur wenige Häuser auf Eilean Shona sind ganz ohne Strom und ohne Netzabdeckung. Natürlich gibt es an vielen Orten auf der Insel Telefonempfang, und wer dringend einmal Strom braucht, der kann in der Village Hall auftanken.)

Bevor die Ruhe und Gemächlichkeit zu intensiv werden, gönnen wir uns einen Ausflug zu Wasser. William «Billy» Simmonds von Minch Adventures mit Sitz in Mallaig holt uns am Morgen am Bootssteg von Eilean Shona mit seinem 40 Fuss langen Schiff ab. Robust und zuverlässig sieht sie aus, seine «Cygnus Cyfish», und das muss sie wohl auch sein, um ganzjährig in diesen Gewässern herumzutuckern zu können.

In westlicher Richtung geht es an Eilean Shona und der Shoe Bay vorbei, von Loch Moidart hinaus aufs offene Meer. Die Small Isles, die Inseln Muck, Eigg, Rùm und Canna, rücken ins Blickfeld, zackig wie ein Drachenrücken ragen sie aus dem Meer und erinnern daran, dass hier einmal Vulkane standen. Die Isle of Skye ist aus der Distanz sichtbar. Auf dem Summit angekommen, öffnet sich der Blick bis zur Isle of Skye - ein Panorama, das einem den Atem nimmt.

Isle of Skye.

Billy Simmonds ist ein guter Geschichtenerzähler und kennt diese Gewässer wie seine Hosentasche: Er begann seine Karriere 1985 als 15-jähriger Deckhelfer und arbeitete sich in der Fischereiindustrie bis zum Steuermann und Besitzer verschiedener Fischereifahrzeuge hoch. 2016 entschied er sich, Minch Adventures zu gründen, um private Chartertouren entlang der Nordwestküste der schottischen Highlands anzubieten.

Für Naturliebhaber bietet Minch Adventures einzigartige Möglichkeiten, die vielfältige Tierwelt dieser abgelegenen Gegend zu beobachten. Dazu zählen Sichtungen von Seehunden, Walen, Delfinen, Papageientauchern und dem Atlantiksturmtaucher, der von Südamerika in diese Gewässer zieht.

Auch über jede Insel, die am Horizont auftaucht, weiss Simmonds einiges zu erzählen. Die kleinste der Small Isles, Muck, ist seit über siebzig Jahren in Privatbesitz der Familie McEwan und wird ganzjährig von vierzig Menschen bewohnt. Die Nachbarinsel Eigg gehört seit 1997 ihren etwa hundert Bewohnern, welche sie in einer Auktion ersteigert hatten. Und auf Rùm, der grössten und höchsten Insel der Gruppe, verwirklichte sich zwischen 1891 und 1939 George Bullough, ein reicher britischer Erntemaschinenbauer, der auf Rùm sein Xanadu namens Kinloch Castle errichten liess.

Kinloch Castle bes...

Eilean Donan & Skerries: Was Schottlands LANDSCHAFT in ihren Namen verrät!

tags: #abenteuer #leben #am #sonntag #sauna #reportage

Populäre Artikel: